Grundsteine für Küche und Garten werden gelegt und die erste Ernte eingefahren

Fruitlands ist zu jeder Tages- und Nachtzeit schön. Auch freitagnachts um drei Uhr. Oder vielmehr samstagmorgens? Um diese Zeit kommen wir nämlich dieses Wochenende in unserem neuen Zuhause an. Der Ort schläft, bis wir die tiefe Stille und die rabenschwarze Dunkelheit mit unserer Ankunft zerschneiden. Wir schließen das Eingangstor auf. Ein weißer Schatten huscht herbei. Der Schatten begrüßt uns mit einem Miauen. Es ist Leo. Sie freut sich, uns wiederzusehen.

Ruhig liegt der Hof da, aber wir sehen, dass während unserer Abwesenheit ein wenig passiert ist. Scheinbar war der Vorbesitzer nicht untätig und hat weiter entrümpelt. Egal, sehen wir ja morgen. Wir verkriechen uns ins kühle Haus, ins Schlafzimmer, unter die warme Decke, in einen erholsamen, langen Schlaf.

urig-bäuerlich und gemütlich muss es sein

urig-bäuerlich und gemütlich muss es sein

Tausend Baustellen

Die Arbeitswoche und die Nachtfahrt fordern ihren Tribut: wir schlafen bis sage und schreibe zwölf Uhr mittags! Dann geht es auch schon los an den unzähligen kleinen Baustellen, die auf fleißige Hände warten. Zwei Tage lang schaffen wir mal hier und mal da etwas; immer so, wie wir Lust haben. Eine meiner Missionen ist nach wie vor, für ein wenig Heimeligkeit und Gefühl des Daheimseins zu sorgen; deshalb setze ich die Grundreinigung fort und säubere alle Küchenschränke und Schubladen von innen. Jetzt können wir losziehen und einen Grundstock an Lebensmitteln einkaufen. Mein Survival-Instinkt schlägt darauf an, dieses Grundbedürfnis alsbald zu erfüllen.

Das Einkaufen gestaltet sich ganz interessant, denn wir haben andere Voraussetzungen als sonst, nämlich keinen Kühlschrank und stattdessen nur einen kühlen Keller. Ich würde seit Jahren sowieso gerne ohne Kühlschrank leben, also bin ich gespannt, wie lange das so funktioniert, bis wir klein beigeben und einen im Haus aufstellen. Aber auch ohne Kühlware raffen wir einen erklecklichen Haufen Grundnahrungsmittel, Naschkram und Getränke zusammen. Ferner stolpern wir über einen ziemlich gutaussehenden Rasenmäher im Sonderangebot. Eine kurze Recherche im Internet bestätigt, dass der angegebene Preis ein wahres Schnäppchen ist, und so schlagen wir zu und brausen mit Futter und Mäher im Kofferraum heimwärts. Aber nicht, ohne einen Zwischenstopp an der nahegelegenen Tankstelle einzulegen, bei der David letzte Woche getankt und den Tankdeckel vergessen hat. Und siehe da: der Tankdeckel wurde von den Mitarbeiterinnen gefunden und sogar aufbewahrt! Dankbar rasen wir weiter.

gefüllte Speisekammer

gefüllte Speisekammer

Während David sich durch die Montage und Handhabung des neuen Rasenmähers kämpft, fuhrwerke ich im Haus weiter herum. Die Gläser und Tassen, die wir behalten möchten, packe ich in eine Kiste; und auch den diversem Kram, der verschenkt werden soll. Ich finde eine alte bauchige Vase und stelle einen armvoll abgeschnittener puscheliger Gräser vom Wegesrand hinein. Schon sieht die ansonsten ziemlich nichtssagende Küche etwas ansprechender aus. Vom Dachboden hole ich einen großen Spiegel, der ersteinmal eine Dusche bekommt und abgeschrubbt wird. Ebenso ein gerade noch unkitschiges Eckregal aus dunklem Holz. Beides sorgt fortan im Bad für den finalen Touch.

Und noch eine Sache packen wir an, namentlich das Holzproblem. Im Innenhof thronen nämlich seit jeher zwei mächtige Holzberge, die hauptsächlich aus alten Telegrafenmasten zusammengestapelt wurden. Aber alles, was leichter ist als fünfzig Kilo wird von uns herausgeklaubt, auf eine Schubkarre verfrachtet und in die Scheune zum anderen Brennholz gebracht. Da kommt tatsächlich so Einiges zusammen. Nach dieser Aktion sehen selbst die ollen Holzstapel etwas ordentlicher aus. Den gut zehn Meter langen Masten müssen wir irgendwann allerdings per Motorsäge zu Leibe rücken, sind sie doch etwas unhandlich zum Wegtragen. Aber kommt Zeit, kommt Säge.

die Badestube

die Badestube

Wir hauen auf den Putz!

Es geht aber auch drinnen ans Eingemachte. Heute habe ich mir die Wand im Gästezimmer vorgenommen. Der Putz muss ja noch runter. Also fange ich mit Hammer, Meißel und Mundschutz bewaffnet an — und höre schnell wieder auf. Diese Arbeit ist sehr anstrengend und eine ziemlich staubige Angelegenheit. Ich mache immer wieder stundenlange Pausen und kloppe nur sporadisch weiter. Am Ende dieses Wochenendes haben wir gerade einmal einen Quadratmeter Putz von der Wand geschlagen. Bis dieses Zimmer fertig ist, vom Rest von The Hive ganz zu schweigen, wird noch eine Ewigkeit vergehen. Immerhin kann ich hier mal so richtig auf den Putz hauen! Ha. Ha.

So langsam möchte ich meinen Aktionsradius auch auf die Nebengebäude ausweiten. Im angebauten Stall fange ich an, indem ich das alte Stroh zusammenschaufle und in einer Ecke auftürme. Ich finde einen Betonboden darunter und wir beschließen, dass die eine Hälfte des Stalls, die mit dem zweiflügeligen Tor, bald als Unterstand fürs Auto dienen wird. Die Doppelgarage hingegen soll ja Werkstatt werden.

Ich hole eine Leiter und steige hinauf ins Skriptorium. Das Skriptorium ist das Dachgeschoss im Pilgrim House (dem Waschhaus) und wird später mal mein Rückzugsort zum ungestörten Schreiben sein. Auch hier herrscht noch Chaos, welches gebändigt werden will. Wir retten ein paar brauchbare Dinge von dort und bringen sie auf den Dachboden im Wohnhaus.

David geht den Rand des gepflasterten Innenhofs ab und überlegt, wo und wie wir dort ein Kräuter- und Gemüsebeet anlegen. Sein innerer Dialog mit der Natur schlägt schnell in das Bedürfnis um, dort eine Hängematte aufzuhängen und eine Pause zu machen.

Leo (links oben im Bild) lässt das neue Gefährt völlig kalt

Leo (links oben im Bild) lässt das neue Gefährt völlig kalt

Ungewohntes Terrain

Voller Mut und Abenteuerlust wappnen wir uns für das, was kommt, brechen beherzt auf, wandern ins Ungewisse und — gehen auf einen Teil des Grundstücks, auf dem wir noch nie zuvor waren! Auf der riesigen Landwirtschaftsfläche hinterm Haus nämlich, die durch ein verschlossenes Tor vom übrigen Areal abgetrennt ist und von uns noch nie betreten wurde, weil wir keinen Schlüssel für eben jenes Tor besitzen. Die Fläche ist riesengroß, mehrere hundert, wahrscheinlich zwei- oder dreitausend Quadratmeter, und ist nicht eingezäunt, sodass wir sie gut erreichen können, indem wir außen um das Grundstück herumgehen und uns ihr von Norden her nähern (denn von Süden her versperrt und besagtes Tor den Zugang). Wir hatten schon gehört, dass einige unserer Nachbarn hier manchmal zugange sind. Einer mäht immer am Zaun zu seiner Grundstücksgrenze, damit nicht alles bei ihm rüberwächst, und jemand anderes schneidet sich hier Heu für Pferde. Irgendjemand scheint auch mit einem Aufsitzmäher über das halbe Feld gefahren zu sein, jedenfalls ist das Gras ratzekurz gemäht. Na ja, solange wir dort noch nichts anpflanzen, darf die Wiese gerne geschnitten werden. Dann müssen wir das nicht machen und es kommt noch ein Nutzen dabei rum. Wir sind ja sowieso noch unschlüssig, was mit dieser gigantischen Fläche passieren soll. Riesenmilpa, essbarer Waldgarten, Brennholz anbauen oder doch eine Streuobstwiese? So viele Möglichkeiten! Aber zunächst wollen wir uns um unsere Zone 0, den Wohnbereich, kümmern, bevor wir hier zum Außenbereich vordringen.

die Nacht kommt mit Glanz und Glorie

die Nacht kommt mit Glanz und Glorie

Die erste Ernte

Was wir allerdings dieses Wochenende schon machen können, ist ernten. Pflaumen nämlich! Unsere Pflaumenbäume, ich glaube vier an der Zahl, tragen gerade reichlich Früchte, die teilweise schon überreif an den Ästen vertrocknen. Mit Leiter und Schüssel holen wir uns soviel, wie wir möchten und wie wir erreichen; ganz viel bleibt aber hängen. Schade für uns, gut für die Tierwelt, die sich daran bereichert. Einige Pflaumenbäumchen am Grundstücksrand sind sehr jung, tragen aber schon schmackhafte Früchte und sehen aus, als seien sie dort nicht angepflanzt worden, denn sie wachsen hinter unserem Zaun im Knick des angrenzenden fremden Monokulturfeldes. Sollten diese Pflaumen sich selbst ausgesät haben und als unveredelte Wildform trotzdem essbare Früchte tragen? Es sieht ganz danach aus! Da wir sowieso einen lebendigen Wind- (und Pestizid-)schutz an dieser Seite (der Westseite) unseres Grundstücks haben möchten, werden wir uns versuchsweise daranmachen, aus den Pflaumenkernen Bäumchen zu ziehen und dann in größerer Menge dort anzupflanzen.

Doch vorerst begnügen wir uns mit unserer Schüssel voller Pflaumen, aus denen ich heute ein, zwei leckere Kuchen backen werde — unsere erste Ernte von Fruitlands!

die erste Ernte