Einen Mittwoch später. Schon als ich zu später Stunde aus dem Regionalexpress aussteige, der mich von Halle nach Hause bringt, sehe ich im kalten weißen Licht meiner kleinen Taschenlampe die feinen Gebilde durch die Luft tanzen. Gefrorene Textur, so luftigleicht: Schnee. Mit zunehmender Wegstrecke wird auch das wilde Wirbeln dichter und ich weiß, dass ich weiß, dass morgen alles weiß sein wird. Auch Leo scheint mit ihren unverdorbenen puren Sinnen das Anstehende vorauszusehen: anstatt sich wie gehabt nach ihrem abendlichen Mahl zu verabschieden und in das tintige Dunkel der Nacht zu verschwinden (sie muss sich in Freiheit bewegen, Eingesperrtsein ist ihr zuwider), kommt sie heute erstmals mit mir ins wohligwarme Wohnzimmer, tretelt sich auf der Bettdecke bedächtig mit großer Sorgfalt eine Bettstatt zurecht, bis es ihr genehm ist, sich unter umständlichem Drehen und Zurechtrücken dort niederzulassen, und schläft dort die ganze Nacht nah an meinen Körper gekuschelt durch, während das Feuer knistert und klopft und brodelt und knackt. Ein behagliches Szenario zu fortgeschrittener Nachtstunde. Die Vorfreude auf die zauberhafte Winterlandschaft begleitet mich in den Schlaf.
Es liegt weniger Schnee als erhofft, aber es liegt Schnee. Das kaputte Thermometer im Wohnzimmer zeigt fünf Grad Celsius – Innentemperatur. Ausnahmsweise glaube ich ihm, schichte schnell Holzscheit um Holzscheit in den erkalteten Ofen und entzünde das Feuer erneut. Dann geht es nach draußen.
Schwer beladen hängen die Blätter der jungen Haselnüsse, und der Grünkohl hat sich vernünftigerweise unter einer schützenden Schneedecke eingemümmelt, aus der er träge mit einem Auge herauslugt, als ich ihm einen Besuch abstatte und ihn betrachte. Die Winterheckenzwiebeln, erst vorige Woche aus Interesse am Experimentieren im Supermarkt gekauft und hier ausgepflanzt, staken aus dem weichen Bodenbelag hervor, grüne Röhren von so zarter Struktur; ich mag gar nicht glauben, dass solch fragile Lebewesen solch strenge Bedingungen überleben.
Schnell hole ich mir vier große Eimer geschlagenes Brennholz ins Haus, ebenso einen armvoll gesägter Holzblöcke, und beschließe, heute drinnen zu bleiben. Ziehe den flauschigen hellblauen Bademantel über. Schlüpfe in die altrosa Stricksocken. Koche mir einen Becher heiße Schokolade mit Zimt. Der erste Wintertag auf Fruitlands kann beginnen.